Post-Privacy?

By , April 14, 2011 18:26

In “Über die Liebe zu Daten, Wahrheit und Privatsphäre” schreibt Marina:

Post-Privacy sagt:
“Ein Mensch muss die Daten freigeben können, die er will.”

Datenschutz sagt:
“Ein Mensch muss nur die Daten freigeben können, die er will.”

Die Forderung ist also dieselbe, sie geht nur von verschiedenen Enden aus.

Ich finde, hier macht sie es sich etwas zu einfach! Denn: Die Gründe für die Diskussionspositionen sind auf beiden Seiten sehr verschieden. Sie geht partiell darauf ein, aber der wesentliche Unterschiede liegt doch in dem kleinen, aber feinen Unterschied, nämlich dem Wort “nur”! Mal ganz davon abgesehen, daß ihre Formulierung, daß Post-Privacy oder Datenschutz etwas sagen würde, so nicht stimmen kann… ;-)

Die erste Forderung (die ohne das “nur”) ist eine Forderung an die Gesellschaft (ich nenne es zum Teil eine Utopie), und an die technischen Systeme. Die zweite (die mit dem “nur”) ist eine Forderung an die Gesetzgebung, die typischerweise solche Forderungen durch Sanktionen bei Mißachtung regelt. Aus genau diesem Grund ist eine Diskussion zwischen den beiden Seiten derzeit so schwierig, weil hier eben die Forderung nach “Beschränkung” (in der Form der “nur”-enthaltenden Forderung) auf eine Forderung der “Nicht-Beschränkung” trifft. Jegliche Einigung oder Diskussion muß also von zwei diametral sich gegenüberstehenden Positionen ausgehen, um sich irgendwo in der Mitte treffen zu können. Leider bedeutet das aber, daß zumindest nach meiner Wahrnehmung auf der “Spackeria” Seite hier die Angst herrscht, daß durch die Annäherung an die “nur”-Vertreter Seite ihre Forderungen und Utopie nicht ernstgenommen werden, oder soweit aufzuweichen wären, daß die Forderung eben nicht mehr funktionieren kann. Auf der anderen Seite scheint das Gefühl zu überwiegen, daß die “Spackeria” Seite fordere, den Schutz prinzipiell abzuschaffen, was ja aber zum Glück so von der “Spackeria” nicht gefordert wird.

Die Blockade in der Diskussion, oder besser der Annäherung, liegt also weniger in der möglichen Ausformulierung der notwendigen Anpassungen der vorhandenen Gesetze, sondern eher auf einer Befindlichkeitsebene bei den Teilnehmern der Diskussion.

Daher kann ich Ihren Abschlußsatz: “Man kann sich dem Problem von der einen oder anderen Seite nähern. Das Problem ist da. Und wenn die Diskussionskultur zwischen allen (!) Beteiligten in ihrem Ton verbessert wird, können wir da auch sicherlich Lösungen ausarbeiten. Für eine Gesellschaft, in der unsere Kinder leben sollen.” zu 100% unterschreiben!

Matthias

One Response to “Post-Privacy?”

  1. Marina says:

    Hi!

    Vielen Dank für deine Analyse.
    Ich kann dir größtenteils zustimmen. Und natürlich habe ich weit vereinfacht, als ich so getan habe, als seien PP und Datenschutz selbst Akteure oder zumindest einheitliche Meinungen.
    Ich glaube, das zentrale Problem, das du andeutest, liegt daran, dass auch die Zeitmaßstäbe verschieden gelagert sind.

    Während die Post-Privacy-Vertreter langfristig planen, arbeiten Datenschützer kurz- und mittelfristig. PP-Leuten mag allerdings jeder Erfolg eines Datenschützers als Rückschritt erscheinen, da hast du recht. Ich glaube, dass beide Seiten sich zu sehr auf die technische und gesetzgeberische Ebene versteifen und wenig an die gesellschaftlichen Implikationen denken. Auf der Ebene könnte man die Diskussion auch nochmal führen.

    Soweit, danke.
    Liebe Grüße,
    Marina

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